Arbeiten aus dem Home-Office ist heute für viele Arbeitnehmer Realität, auch grenzüberschreitend. Gerade hier stellen sich in der Praxis viele steuer- und sozialversicherungsrechtliche Fragen. Die Schweiz hat bilaterale Grenzgängerabkommen mit Deutschland, dem Fürstentum Liechtenstein, Italien und Frankreich (nicht aber mit Österreich) abgeschlossen. Zuletzt am 10. November 2023 haben die Schweiz und Italien eine Erklärung betreffend die Besteuerung von Home-Office für Grenzgänger unterzeichnet. Ebenfalls dieses Jahr wurde ein Zusatzabkommen mit Frankreich betreffend die Einkommensbesteuerung von Grenzgängern und Home-Office abgeschlossen.
Der nachfolgende Beitrag behandelt die Neuerungen bei der Einkommensbesteuerung der Arbeitnehmer sowie die sozialversicherungsrechtlichen Aspekte für Grenzgänger und Home-Office im Verhältnis zu Italien und Frankreich.
Zum Thema des Betriebsstätterisikos sei auf unser Tax Briefing «Home-Office und Risiken der Begründung einer steuerlichen Betriebsstätte» vom Februar 2023 verwiesen.
Das Arbeitsortsprinzip als Grundsatz
Nach dem Arbeitsortprinzip darf der Staat, in dem die Arbeitstätigkeit physisch ausgeübt wird, die Einkünfte aus unselbständiger Arbeit grundsätzlich besteuern. Die 183-Tage-Regel als Ausnahme zum Arbeitsortprinzip findet bei grenzüberschreitenden Home-Office-Konstellationen typischerweise keine Anwendung, da Arbeitstage in einem Staat geleistet werden, in dem der Arbeitgeber ansässig ist oder eine Betriebsstätte hat.
Für Grenzgänger können besondere Besteuerungsregeln gelten, die von den bilateralen Grenzgängerabkommen abgedeckt sind.
Italien
Am 17. Juli 2023 sind das Abkommen über die Besteuerung der Grenzgänger sowie ein Änderungsprotokoll zum Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zwischen der Schweiz und Italien in Kraft getreten. Diese Regelungen finden ab 1. Januar 2024 Anwendung.
Nach dem neuen Abkommen gilt ein Grenzgänger als ein Arbeitnehmer, der in einem Umkreis von 20 Kilometern um die Grenze eines Staates wohnt und bei einem Arbeitgeber im Grenzgebiet des anderen Staates beschäftigt ist. Das Grenzgebiet umfasst die Kantone Graubünden, Tessin und Wallis sowie die Regionen Lombardei, Piemont und Aostatal und die Provinz Bozen.
Das Abkommen sieht den automatischen Austausch von Informationen über das Arbeitseinkommen vor, um eine korrekte Besteuerung zu gewährleisten.
Bei «neuen Grenzgängern», die nach dem 17. Juli 2023 ihre Erwerbstätigkeit aufgenommen haben, darf der Arbeitgeberstaat 80% der regulären Quellensteuer auf dem Arbeitseinkommen einbehalten. Diese Grenzgänger werden im Wohnsitzstaat ordentlich besteuert, wobei dieser die Doppelbesteuerung zu vermeiden hat. Italien vermeidet die Doppelbesteuerung neu durch Anrechnung der schweizerischen Steuer (keine Freistellung).
Für Grenzgänger, die bereits zwischen dem 31. Dezember 2018 und dem 17. Juli 2023 in den genannten Grenzkantonen gearbeitet haben, gilt eine Übergangsregelung.
Zusätzlich zu dem Abkommen über die Besteuerung der Grenzgänger haben die Schweiz und Italien am 10. November 2023 eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet, die nun Rechtssicherheit zur Home-Office-Thematik bringen soll. Sie löst die Übergangsregeln aus der Corona-Pandemie ab. Nach dieser Erklärung haben vom 1. Januar 2024 an alle Grenzgänger die Möglichkeit, bis zu 25% ihrer Arbeitszeit im Home-Office zu leisten, ohne dass dies Auswirkungen auf den Status als Grenzgänger hat.
Die Erklärung sieht weiter vor, dass bis Ende November 2023 Sonderregeln für die Besteuerung von Home-Office von Grenzgängern für den Zeitraum vom 1. Februar 2023 bis zum 31. Dezember 2023 vereinbart werden. Es soll damit die bestehende Übergangslösung zwischen der Schweiz und Italien erweitert werden. Diese Sonderregeln sind allerdings noch nicht veröffentlicht.
Frankreich
Das Verhältnis zwischen der Schweiz und Frankreich bezüglich der Besteuerung von grenzüberschreitend tätigen Arbeitnehmern wird einerseits durch ein Grenzgängerabkommen sowie andererseits durch das DBA geregelt.
Das Grenzgängerabkommen von 1983 betrifft Pendler zwischen Frankreich und acht bestimmten Schweizer Kantonen (BE, SO, BS, BL, VD, VS, NE und JU). Das DBA Schweiz-Frankreich von 1966 gilt hingegen für die gesamte Schweiz und wird dann angewendet, wenn das Grenzgängerabkommen nicht greift. Für Genf gilt ein separates Grenzgängerabkommen, das aber nur die Ausgleichszahlungen zwischen den Staaten betrifft. Die Einkommensbesteuerung im Zusammenhang mit Genf erfolgt daher nach den Regeln des DBA Schweiz-Frankreich.
Am 27. Juni 2023 wurde ein Zusatzabkommen zum bilateralen DBA unterzeichnet, das nun dauerhafte Besteuerungsregeln für das Einkommen bei grenzüberschreitender Home-Office-Tätigkeit enthält. Damit das neue Zusatzabkommen in Kraft treten kann, muss es noch in beiden Ländern vom Gesetzgeber verabschiedet werden. Die Bestimmungen des Zusatzabkommens sind aufgrund einer temporären Verständigungsvereinbarung aber bereits anwendbar.
Das neue Zusatzabkommen mit Frankreich ist grosszügiger als die Lösung mit Italien. Es erlaubt das grenzüberschreitende Home-Office bis zu 40% der Arbeitszeit pro Jahr. Solange sich das Home-Office in dieser Bandbreite befindet, bleibt das Besteuerungsrecht des Arbeitgeberstaates unberührt. Mit dem Zusatzabkommen wird ein zukünftig automatischer Informationsaustausch eingeführt, der nebst den Lohndaten auch Informationen zu den steuerrelevanten Arbeitstagen umfasst.
Nach geltendem innerstaatlichem Recht erlaubt die Rechtsgrundlage bei Arbeitnehmern ohne Wohnsitz in der Schweiz jedoch keine Besteuerung von Arbeitstagen ausserhalb der Schweiz. Das bedeutet, dass die Schweiz derzeit nur Einkünfte aus physisch in der Schweiz ausgeübten Arbeitstagen besteuern kann, obwohl das Abkommen ein weitergehendes Besteuerungsrecht vorsieht.
Der Bundesrat hat daher am 9. Juni 2023 eine Revision des nationalen Steuerrechts in die Vernehmlassung geschickt. Diese sieht vor, dass Einkünfte von Arbeitnehmern, die von ihrem Wohnsitz im Ausland aus arbeiten, in der Schweiz besteuert werden können (trotz fehlender physischer Präsenz), sofern das anwendbare DBA der Schweiz das Besteuerungsrecht zuweist.
Sozialversicherungsrechtliche Aspekte
Nachdem die Übergangsregeln aus der Corona-Pandemie per 30. Juni 2023 ausgelaufen sind, gilt seit dem 1. Juli 2023 eine neue multilaterale Vereinbarung zwischen der Schweiz und bestimmten Staaten der EU und der EFTA.
Sofern beide Staaten die Vereinbarung unterzeichnet haben, ist Home-Office im Wohnsitzstaat bis zu maximal 49.9% der Arbeitszeit möglich, ohne dass ein Wechsel der sozialversicherungsrechtlichen Unterstellung vom Staat des Arbeitgebersitzes in den Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers erfolgt. Diese Regelung ist deutlich grosszügiger als die bisherige Regelung von maximal 24.9% der Arbeitszeit.
Die multilaterale Vereinbarung ist nur anwendbar auf Personen, für die auch das Freizügigkeitsabkommen mit der EU bzw. das EFTA-Übereinkommen gilt (d.h. im Verhältnis Schweiz-EU ausschliesslich auf Personen mit Staatsangehörigkeit der Schweiz oder der EU und im Verhältnis Schweiz-EFTA ausschliesslich auf EFTA-Staatsangehörige).
Die Schweiz wie auch Frankreich haben die multilaterale Vereinbarung unterzeichnet, das heisst im Verhältnis zu Frankreich gelten bereits die 49.9% als Obergrenze für Home-Office Tätigkeiten.
Bisher nicht unterzeichnet hat Italien. Entsprechend gilt im Verhältnis zu Italien weiterhin, dass sich die Tätigkeit im Home-Office auf maximal 24.9% der Arbeitszeit beschränken muss, damit die sozialversicherungsrechtliche Unterstellung im Arbeitgeberstaat verbleibt.
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