Umsatz­steuern

Die Teilrevision der MWST in der Schweiz steht an

Erst vor wenigen Monaten hat die Schweiz ihre MWST-Sätze erhöht und gleichzeitig die Zollabgaben auf die Einfuhr von Industrieprodukten abgeschafft. Und schon stehen mit der Teilrevision des MWST-Gesetzes 2025 die nächsten punktuellen Anpassungen an. Bei gewissen Änderungen handelt es sich um Verschärfungen, andere wiederum sollen bestehende Wettbewerbsverzerrungen und Besteuerungslücken schliessen.

Der Gesetzgeber erhöht das Tempo im Bereich der Digitalisierung und führt vermeintliche Vereinfachungen sowie diverse Instrumente zur effizienteren Betrugsbekämpfung ein. Zwar steht der Beschluss über die Inkraftsetzung der neuen Bestimmungen noch aus, doch mit der Einführung zum 1.1.2025 ist zu rechnen.

Derzeit fehlen noch die Verwaltungsanordnungen der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) zu den einzelnen Änderungen. Doch angesichts des engen Zeitplans zeigen wir heute schon den voraussichtlichen Handlungsbedarf auf.

Handel mit Emissionsrechten und -zertifikaten

Der Handel mit Emissionsrechten und -zertifikaten sowie anderen Bescheinigungen für Emissionsverminderungen unterliegt schon heute der MWST. Zur Abrechnung verpflichtet war in der Vergangenheit, wer solche Rechte und Zertifikate verkaufte. Bei ausländischen Verkäufern, die in der Schweiz nicht mehrwertsteuerlich registriert waren, musste der inländische Erwerber die MWST über die Bezugsteuer abrechnen.

Neu wird sämtlicher Handel mit solchen Rechten und Zertifikaten, mit in- als auch ausländischen Gegenparteien als Verkäufer, der Bezugsteuer unterliegen. Die Bezugsteuer wird damit erstmals auf reinen inländischen Transaktionen zur Anwendung kommen.

Handlungsbedarf
Verkäufer von Emissionsrechten und -zertifikaten:
  • Ab 1.1.2025 kein Ausweis der MWST mehr zulässig
  • Notwendige Systemanpassungen
Erwerber von Emissionsrechten und -zertifikaten:
  • Ab 1.1.2025 zwingend Pflicht zur Abrechnung der Bezugsteuer
Plattformbesteuerung

Um die Änderungen im Bereich der Plattformbesteuerung verstehen zu können, muss in das Kalenderjahr 2019 zurückgeblendet werden. Damals hat die Schweiz Anpassungen für ausländische Versandhändler vorgenommen. Diese wurden zur Registrierung und Abrechnung der MWST verpflichtet, wenn sie Kleinsendungen in die Schweiz lieferten. Bei Kleinsendungen kommt es nicht zur Erhebung der MWST bei der Einfuhr, weil der Wert der bestellten Waren zu gering und der Erhebungsaufwand zu hoch ist.

Die Schweiz besteuert Kleinsendungen nicht, wenn die geschuldete Einfuhrsteuer nicht CHF 5 übersteigt. Die Änderung 2019 führte dazu, dass sich eine beachtliche Anzahl ausländischer Verkäufer, die vorwiegend Waren über einen eigenen Webshop in die Schweiz vertreiben, in der Schweiz für MWST-Zwecke registrieren liessen und seither wie ein inländisches Unternehmen ihren Abrechnungsverpflichtungen nachkommen.

Diese Bemühungen reichen aber noch nicht aus. Denn die Anzahl der unbesteuerten Sendungen aus dem Ausland nimmt laufend zu. Sei es, weil die ausländischen Lieferanten ihren steuerlichen Pflichten in der Schweiz nicht nachkommen, für den Versand zu tiefe Warenwerte angeben, oder weil der Verkauf über eine sog. elektronische Plattform erfolgt, auf welcher der Konsument die Gegenstände bestellt, aber die Plattform rechtlich nicht in den Verkauf eingebunden ist.

Mit den Änderungen zum 1.1.2025 werden nun die Umsätze, welche die einzelnen Verkäufer unter Zuhilfenahme einer in- oder ausländischen Plattform erzielen, mehrwertsteuerlich der Plattform zugeordnet. Diese wird neu zum mehrwertsteuerlichen Verkäufer erklärt und hat die MWST auf den Verkäufen an die ESTV abzuführen.

Bis 31. Dezember 2024:

Ab 1. Januar 2025:

Zivilrechtlich bleibt der jeweilige Verkäufer leistungspflichtig. Auch alle sich an den mit ihm abgeschlossenen Kaufvertrag anschliessenden Folgen in Bezug auf Gewährleistung, Mängelrügen, Rückgabe etc. bleiben in Kraft. Die Einbindung der in- oder ausländischen Plattform ist nur fiktiv und damit nur für die Zwecke der MWST vorgesehen. Die Plattform übernimmt «stellvertretend» die Abrechnungs- und Verfahrenspflichten gegenüber der ESTV, die eigentlich dem einzelnen Händler obliegen würden.

Die Auswirkungen für Verkäufer und Plattformen sind nicht zu unterschätzen. So etwa im Bereich der Rechnungstellung: Rechtlich ist der Verkäufer zur Ausstellung der Rechnung an den Käufer verpflichtet. Doch die Abrechnung der MWST hat über die Plattform zu erfolgen, welche in die Umsatzerzielung mit dem Käufer nicht eingebunden ist.

Verfügt der Verkäufer über eine Schweizer MWST-Registrierung, bleibt die Rechnungstellung zwischen Verkäufer und Käufer grundsätzlich unverändert. Allerdings darf auf dieser Rechnung die MWST nicht mehr ausgewiesen werden. Der subjektiv mehrwertsteuerpflichtige Verkäufer muss die Umsätze über die Plattform zukünftig nicht versteuern (es greift eine Steuerbefreiung), weil diese Pflicht der Plattform obliegt.

Auch bei der Zahlung ergeben sich Fragen: An wen soll der Käufer die MWST entrichten? An den Verkäufer, der den MWST-Betrag gegenüber der ESTV nicht schuldet? Oder an den Betreiber der Plattform, mit dem der Käufer keine vertragliche Beziehung eingeht? Ist die Plattform in die Zahlungsabwicklung zwischen Verkäufer und Käufer eingebunden, wird sie lediglich die Nettobeträge an die Verkäufer weiterleiten, den MWST-Betrag aber einbehalten und an die ESTV abführen. Fehlt es an der subjektiven MWST-Pflicht des Verkäufers oder läuft die Zahlungsabwicklung nicht über die Plattform, wird die technische Abwicklung nahezu unmöglich. Der Verkäufer erstellt seine Rechnung ohne Ausweis der MWST, während die Plattform die auf dem Verkauf geschuldete MWST abzurechnen hat. Oder die Plattform muss sich ihrerseits um die Fakturierung der MWST auf dem Umsatz des Verkäufers kümmern.

Die praktische Umsetzung dieser Vorlage wird insbesondere die Plattformen herausfordern. Denn sie müssen, sobald die ESTV ihre Verwaltungsanweisungen erlassen hat, innert weniger Monate ihre Systeme umstellen und werden faktisch zum Erfüllungsgehilfen der ESTV.

Verkäufer, die über eine Plattform ihre Gegenstände an Käufer im Inland veräussern, werden aber nicht aus allen steuerlichen Pflichten entlassen. Sie haften subsidiär für die von der Plattform abzurechnenden Beträge und tragen damit ein Risiko, sollte der Betreiber der Plattform den neuen Registrierungs- und Abrechnungspflichten nicht nachkommen.

Die Auswirkungen der neuen Bestimmungen machen selbst vor den Käufern nicht halt. Wird bei einer im Ausland ansässigen Plattform bestellt, die ihren Registrierungs- und Abrechnungspflichten in der Schweiz nicht nachkommt, drohen Einfuhrverbote und im schlimmsten Fall die Beschlagnahmung und entschädigungslose Vernichtung der bestellten Gegenstände. Es ist folglich nicht auszuschliessen, dass Käufer die bestellten Waren zwar bezahlen, aber sie nie erhalten und dann ihr Geld beim ausländischen Verkäufer einfordern müssen.

Auch die Betreiber von Plattformen, auf denen lediglich Dienstleistungen angeboten werden, sind von den geplanten Änderungen betroffen. Deren Pflicht beschränkt sich jedoch auf die Informationsüberlassung an die ESTV. Schliesslich sei erwähnt, dass auch die Behandlung von Plattformen im C2C-Bereich (Consumer-to-Consumer) noch nicht restlos geklärt ist.

Die Thematik ist komplex und die ausstehenden Praxispublikationen der ESTV sind zu verfolgen.

Handlungsbedarf
Verkäufer von Gegenständen über Plattformen:
  • Prüfung der erforderlichen Anpassungen im eigenen System
  • Evaluation des Vertriebskanals Plattform
  • Rechtliche Ausgestaltung zwischen Verkäufer und Plattform
Betreiber von Plattformen:
  • Verfolgung der Vorgaben nach Bekanntgabe der Verwaltungspraxis der ESTV
  • Prüfung einer MWST-Registrierungspflicht in der Schweiz
  • Klärung der technischen Anpassungen
  • Anpassung der AGB
Betreiber eigener Webshops:
  • Prüfung der mehrwertsteuerlichen Konsequenzen, falls auch Drittprodukte angeboten werden sollen
Neue Steuerausnahme im Bereich der Heilbehandlungsleistungen

Neu werden Leistungen im Bereich der koordinierten Versorgung von Heilbehandlungsleistungen, auch als Managed-Care-Leistungen bezeichnet, nicht mehr der MWST unterliegen. Damit soll ein weiteres Puzzlestück in der Gesundheitsversorgung, welches bisher MWST-belastet war, von der Steuerausnahme profitieren.

Handlungsbedarf
Erbringer von Managed-Care-Leistungen (Gatekeeper):
  • Verfolgung der Vorgaben nach Bekanntgabe der Verwaltungspraxis der ESTV zur Abgrenzung zwischen Managed-Care-Leistungen und sonstigen administrativen Leistungen
  • Ab 1.1.2025 Anpassung der Rechnungstellung
  • Prüfung der subjektiven MWST-Pflicht
  • Berechnung der geschuldeten Eigenverbrauchssteuer infolge Nutzungsänderung
Krankenkassen:
  • Prüfung der Rechnungen, die von «Gatekeepern» fakturiert werden
  • Bei Erstellung von Gutschriften durch Krankenkassen ist ab 1.1.2025 vorgängig die subjektive MWST-Pflicht des Gatekeepers abzuklären
Neue Steuerausnahme im Bereich der Kultur

Die mehrwertsteuerliche Behandlung der Entgelte, welche für die Teilnahme an kulturellen Anlässen zu entrichten sind, wird an die Behandlung von Entgelten für die Teilnahme an sportlichen Veranstaltungen angeglichen; diese Entgelte sind neu ebenfalls von der MWST ausgenommen.

Handlungsbedarf
Veranstalter von kulturellen Events:
  • Verfolgung der Vorgaben nach Bekanntgabe der Verwaltungspraxis der ESTV
  • Prüfung der subjektiven MWST-Pflicht bei bisher mehrwertsteuerlich registrierten Veranstaltern
  • Berechnung der geschuldeten Eigenverbrauchssteuer infolge Nutzungsänderung
  • Neue Bestimmungen bei Ausschreibungen für Veranstaltungen 2025 beachten
Neue Steuerausnahme für Leistungen an Anlagestiftungen

Mit der Steuerausnahme für Leistungen an Anlagestiftungen wird eine 25-jährige bestehende Ungleichbehandlung zwischen Leistungen an kollektive Kapitalanlagen und Anlagestiftungen beseitigt. Anlagestiftungen werden so von der Überwälzung der MWST verschont, was zu niedrigeren Kosten führen sollte.

Dienstleister, die für Anlagestiftungen tätig sind und delegierbare Verwaltungsleistungen erbringen oder als Depotbank fungieren, können ihre Leistungen zukünftig ohne MWST-Belastung fakturieren.

Handlungsbedarf
Anlagestiftungen:
  • Prüfung der heute mit MWST-belasteten Verwaltungs- und Depotleistungen
  • Kontaktierung der Leistungserbringer
  • Prüfung und Anpassung bestehender Verträge
Leistungserbringer (Anwälte, Steuerberater, Depotbanken, Immobilienschätzer etc.):
  • Prüfung der an Anlagestiftungen erbrachten Leistungen
  • Anpassung der Verträge
  • Berechnung der geschuldeten Eigenverbrauchssteuer infolge Nutzungsänderung bzw. der zukünftig erforderlichen Vorsteuerkürzung
Neue Steuerausnahme für Leistungen von Reisebüros

Neu werden Leistungen von Reisebüros, soweit sie im Weiterverkauf von Reiseleistungen bestehen sowie die damit zusammenhängenden Dienstleistungen von der MWST ausgenommen. Die Steuerausnahme betrifft lediglich den inländischen Tourismus. Damit wird zukünftig die Marge des Reisebüros auf inländischen Reisen nicht mehr besteuert.

Handlungsbedarf
Reisebüros:
  • Verfolgung der Vorgaben nach Bekanntgabe der Verwaltungspraxis der ESTV
  • Berechnung der geschuldeten Eigenverbrauchssteuer infolge Nutzungsänderung bzw. der zukünftig erforderlichen Vorsteuerkürzung
Möglichkeit der jährlichen Abrechnung mit provisorischem Steuerbezug

Unter dem Titel «Vereinfachung» führt nun auch die Schweiz die Möglichkeit zur jährlichen MWST-Abrechnung ein. Diese Option steht nur mehrwertsteuerpflichtigen Personen zu, die pro Jahr einen Umsatz von max. CHF 5’005’000 erzielen. Nicht zu überraschen vermag der Umstand, dass im Falle der jährlichen Abrechnung die ESTV die geschuldete MWST provisorisch beziehen wird.

Handlungsbedarf
Unternehmen mit einem Umsatz < CHF 5’005’000:
  • Prüfung, ob jährliche Abrechnung ab 2025 administrative Erleichterungen mit sich bringt
Mithaftung und Sicherstellungspflicht von Mitgliedern der geschäftsführenden Organe

Mitgliedern von geschäftsführenden Organen (VR, GL, Stiftungsrat) drohen weitere steuerliche Risiken. Eine Mithaftung und Sicherstellungspflicht für Steuern, Zinsen und Kosten besteht neu, wenn jemand mindestens bei zwei weiteren juristischen Personen Mitglied der geschäftsführenden Organe gewesen ist, die innerhalb einer kurzen Periode in Konkurs gingen und wenn Anhaltspunkte vorliegen, dass sich diese Person mit diesen Konkursen strafbar verhalten hat. Die Hürden für die Inanspruchnahme der Mithaftung und die Sicherstellungspflicht sind zwar hoch, doch die Due-Diligence-Prüfung vor der Annahme eines Mandats bzw. der Ernennung eines neuen Mitglieds hat neu auch diesen Punkt abzudecken.

Handlungsbedarf
Unternehmen:
  • Due-Diligence-Prüfung über andere Mandate oder Tätigkeiten des betreffenden Mitglieds
Mitglied:
  • Due-Diligence-Prüfung neuer und bestehender Mandate
Fazit

Viele der punktuellen Anpassungen sind zu begrüssen. Sie werden sicherlich zur Beseitigung bestehender Wettbewerbsverzerrungen beitragen.

Es darf aber ernsthaft bezweifelt werden, dass der Gesetzgeber mit der Plattformbesteuerung den richtigen Weg eingeschlagen hat, um die bestehenden Besteuerungslücken zu schliessen. Denn die technischen Hürden sind hoch, und der Schweizer Markt wohl zu klein, um ausländische Grosskonzerne tatsächlich zur Einhaltung dieser neuen Bestimmungen zu motivieren.

Derzeit müssen die sich in Ausarbeitung befindlichen Verwaltungsanweisungen abgewartet werden, bevor konkrete Umsetzungsmassnahmen und -empfehlungen ausgesprochen werden können.

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