Das OECD/G20 Inclusive Framework hat am 15. Januar 2025 eine für die Praxis wichtige Administrative Guidance zur Anwendung von Art. 9.1 der GloBE Model Rules veröffentlicht. Die neue Administrative Guidance fokussiert dabei auf Vereinbarungen («arrangements») und ähnlichen Ereignissen («similar Events», z.B. nachträgliche Ausübung von Wahlrechten), die zur Erfassung von latenten Steuerguthaben führten. Die in der Administrative Guidance genannten Grundsätze werden zukünftig im Kommentar zu den GloBE Model Rules konkretisiert. Die entsprechenden Präzisierungen sind ebenfalls in der Administrative Guidance abgebildet.
Des Weiteren hat die OECD den «Central Record of Legislation with Transitional Qualified Status» veröffentlicht. Diese Administrative Guidance hält fest, dass die schweizerische Ergänzungssteuer ab dem 1. Januar 2024 die Voraussetzungen für die Anwendung des QDMTT Safe Harbour erfüllen wird. Dies ist für in der Schweiz präsente multinationale Unternehmen von grosser Wichtigkeit, damit die in der Schweiz besteuerten Gewinne nicht noch zusätzlich mit einer ausländischen IIR oder UTPR abgeschöpft werden können (mit Einschränkungen, siehe unten).
Art. 9.1 GloBE Model Rules
Art. 9.1 der GloBE Model Rules beinhaltet Übergangsregelungen, welche definieren, wie in einem Übergangsjahr und in den darauffolgenden Jahren mit bestehenden latenten Steuerpositionen umgegangen werden kann.
Während gemäss Art. 9.1.1 im Allgemeinen die latenten Steueransprüche («deferred tax assets», DTA) und latenten Steuerschulden («deferred tax liabilities», DTLs) berücksichtigt werden können, die in den Finanzbuchhaltungen («financial accounts») aller Geschäftseinheiten («constituent entities») in einem Übergangsjahr ausgewiesen oder offengelegt werden, schliessen Art. 9.1.2 und Art. 9.1.3 den zu berücksichtigenden Betrag der latenten Steueransprüche aus oder begrenzen ihn unter gewissen Umständen.
Präzisierung der GloBE Model Rules
Die OECD hält fest, dass die in Art. 9.1 OECD-Mustervorschriften enthaltenen Übergangsregelungen nicht dazu gedacht seien, Unternehmen die Möglichkeit zu eröffnen, Transaktionen durchführen, welche einen Einfluss auf latente Steuerpositionen haben, um damit die tiefbesteuerten Einkünfte vor der Mindestbesteuerung zu schützen.
Gemäss Art. 9.1.2 werden DTAs, die aufgrund von Posten resultieren, die bei der Berechnung des GloBE-Gewinns oder -Verlustes ausgenommen sind, bei der Berechnung von Art. 9.1.1. ausgenommen, wenn die DTAs aufgrund eines Geschäftsvorfalls entstanden sind, der nach dem 30. November 2021 stattfand.
In den neuen Abschnitten im Kommentar werden drei Arten von Geschäftsvorfällen genannt, die zu latenten Steuerpositionen führen, die vom Gesamtbetrag der Anpassung der latenten Steuern gemäss Art. 4.4 und der Berechnung der simplified covered taxes für den transitional CbCR Safe Harbour ausgeschlossen sind (vgl. Kommentar Ziff. 8.5 f. zu Art. 9.1.2 GloBE Model Rules):
- Ein latenter Steueranspruch, der auf ein nach dem 30. November 2021 abgeschlossenes oder geändertes governmental arrangement zurückzuführen ist, wenn dieses dem Steuerpflichtigen einen spezifischen Anspruch auf eine Steuergutschrift oder eine andere Steuererleichterung (einschliesslich eines steuerlichen Step-ups) einräumt, welcher ohne governmental arrangement nicht entstanden wäre;
- Ein latenter Steueranspruch, der auf eine Wahl oder Entscheidung zurückzuführen ist, die von einer Geschäftseinheit einer unter die Mindestbesteuerung fallenden Unternehmensgruppe nach dem 30. November 2021 ausgeübt oder geändert wurde und die rückwirkend die steuerliche Behandlung eines Geschäftsvorfalls für ein Steuerjahr ändert, für das bereits eine Veranlagung durch die Steuerbehörde vorgenommen worden ist oder eine Steuererklärung eingereicht wurde;
- Ein latenter Steueranspruch oder eine latente Steuerschuld, die sich aus einer Differenz zwischen dem Steuerwert und dem Buchwert eines Vermögenswerts oder einer Verbindlichkeit ergibt, wenn der Steuerwert gemäss einer Körperschaftsteuer festgelegt wurde, die von einer Jurisdiktion erlassen wurde, die zuvor keine Körperschaftsteuer hatte und die nach dem 30. November 2021 und vor dem Übergangsjahr erlassen wurde.
Nicht unter Art. 9.1.2 fallen Steuergutschriften oder andere Steuererleichterungen, welche unabhängig von einem governmental arrangement entstehen. Dies ist der Fall, wenn kein wichtiger Aspekt der Steuergutschrift oder der Steuererleichterung, wie beispielsweise der Anspruch darauf oder die Höhe des Betrags, im Ermessen einer staatlichen Stelle liegt. Nur weil die Gewährung dieser Steuergutschrift eine staatliche Entscheidung oder eine Bestätigung erfordert, dass der Steuerpflichtige die gesetzlichen Kriterien für diese Gutschrift oder eine andere Steuererleichterung erfüllt hat oder verpflichtet ist, sie zu erfüllen, liegt noch keine ermessensweise Gewährung einer Steuergutschrift oder Steuererleichterung vor.
Die Administrative Guidance sieht für die schädlichen latenten Steuerpositionen eine Schonfrist («grace period») vor, während der ein Anteil von maximal 20% der ursprünglich erfassten latenten Steuerguthaben bei den Anpassungen der latenten Steuern gemäss Art. 4.4 oder bei der vereinfachten Steuerberechnung unter dem CbCR Safe Harbour berücksichtigt werden kann. Diese Schonfrist gilt für Steuerjahre, die am oder nach dem 1. Januar 2024 beginnen, aber nicht für Steuerjahre, die nach dem 30. Juni 2027 enden. Der Kommentar schliesst jedoch diejenigen schädlichen Geschäftsvorfälle vom Anwendungsbereich dieser Schonfrist aus, die nach dem 18. November 2024 durchgeführt wurden.
Auswirkungen auf den QDMTT Safe Harbour und den Transitional CbCR Safe Harbour
Das Inclusive Framework weist in der Administrative Guidance darauf hin, dass die von den Ländern erhobenen Ergänzungssteuern nur dann als qualifizierend betrachtet werden, wenn sie gemäss den Administrative Guidances angewendet werden. Sofern Regierungen nach dem 30. November 2021 tax benefits gewährt haben, führt dies grundsätzlich zu einer Nicht-Qualifikation der lokalen DMTT. Allerdings haben sich die Mitglieder des Inclusive Framework darauf geeinigt, dass der transitional qualified status der QDMTT und der QDMTT Safe Harbour akzeptiert werden, wenn die betroffenen Länder die latenten Steuereffekte im Sinne der Administrative Guidance neutralisieren.
Sofern die betroffenen Länder im konkreten Fall keine entsprechenden Anpassungen machen (d.h. beispielsweise Neutralisierung der latenten Steuereffekte im Veranlagungsverfahren), dann kann die betroffene MNE für das Land den QDMTT Safe Harbour nicht geltend machen («switch-off rule»).
Für die Zwecke des CbCR Safe Harbour müssen die aufgrund der schädlichen Transaktionen resultierenden latenten Steueraufwendungen neutralisiert werden. Während der grace period können die latenten Steueraufwendungen immerhin beschränkt genutzt werden.
Fördermassnahmen im Fokus
In der Administrative Guidance wird ebenfalls dargelegt, dass das Inclusive Framework an Regelungen arbeitet, um Fördermassnahmen zu identifizieren, die im Zusammenhang mit der Einführung der GloBE-Mindeststeuer als schädlich betrachtet werden.
Bedeutung für Steuerpflichtige in der Schweiz
Sämtliche Steuerpflichtigen sollten ihr vorbestehenden latenten Steuerpositionen überprüfen und analysieren, ob insbesondere ihre DTAs von der neuen Administrative Guidance betroffen sind.
Für Steuerpflichtige ist diese Analyse insbesondere deshalb von Relevanz, da in vielen Fällen die Jahresabschlussarbeiten für das erste Jahr unter GloBE begonnen haben und die Ergänzungssteuerberechnungen nun basierend auf den aktuellen Zahlen vorgenommen werden.