Der Bundesrat hat am 1. März 2024 die Botschaft zum Bundesgesetz über die Besteuerung der Telearbeit im internationalen Verhältnis verabschiedet. Damit soll die innerstaatliche Rechtsgrundlage geschaffen werden, dass Erwerbseinkünfte, die Grenzgängerinnen und Grenzgänger durch Telearbeit (Home-Office) im Ausland erzielen, in der Schweiz besteuert werden können. Am 15. April 2024 hat der Nationalrat als Erstrat dem Gesetzesentwurf zugestimmt. Er wird nun im Ständerat beraten.
In den letzten Jahren hat sich unter dem Einfluss der Digitalisierung und der neuen Kommunikationstechnologien auf dem Arbeitsmarkt ein Trend zu immer mehr Telearbeit entwickelt. Die COVID-19-Pandemie hat diesen Trend noch verstärkt. Die Zunahme von Home-Office hat in einem grenzüberschreitenden Kontext auch Folgen für die Besteuerung. Die Besteuerung von Erwerbseinkommen in der Schweiz ist grundsätzlich nur möglich, wenn das Besteuerungsrecht in der Schweiz nicht staatsvertraglich beschränkt ist und eine nationale Besteuerungsgrundlage besteht.
Besteuerungsgrundlagen gemäss Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) bzw. Grenzgängerabkommen
Im internationalen Verhältnis sehen die DBA bzw. Grenzgängerabkommen in der Regel vor, dass Einkünfte aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit in dem Staat besteuert werden können, in dem die Arbeit ausgeübt wird. Bei Telearbeit würde das Besteuerungsrecht somit vom Staat des schweizerischen Arbeitgebers auf den ausländischen Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers (Ansässigkeitsstaat) übergehen.
Abweichend von diesem Grundsatz hat die Schweiz mit Frankreich und Italien vereinbart, dass die in diesen Staaten für einen Schweizer Arbeitgeber verrichtete Telearbeit in einem gewissen Umfang weiterhin von der Schweiz besteuert werden kann, auch wenn die Arbeit physisch nicht in der Schweiz verrichtet wird (Frankreich: jährlich bis zu 40 Prozent der Arbeitszeit / Italien bis zu 25 Prozent der Arbeitszeit).
Die bilateralen Abkommen mit Deutschland und Liechtenstein sehen vor, dass die Tätigkeit in Form von Telearbeit für Grenzgängerinnen und Grenzgänger keine Auswirkungen auf ihren steuerlichen Grenzgängerstatus hat.
Mit Österreich besteht kein bilaterales Grenzgängerabkommen.
Nationale Besteuerungsgrundlagen
Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung können Erwerbseinkünfte von natürlichen Personen ohne steuerrechtlichen Wohnsitz oder Aufenthalt in der Schweiz nur dann an der Quelle besteuert werden, wenn die Erwerbstätigkeit physisch in der Schweiz ausgeübt wird. Weist ein DBA oder ein Grenzgängerabkommen das Besteuerungsrecht der Schweiz zu, wird die Arbeit aber physisch nicht in der Schweiz ausgeübt, kann die Schweiz mangels innerstaatlicher Rechtsgrundlage ihr Besteuerungsrecht nicht ausschöpfen.
Die vorgeschlagene neue Besteuerungsgrundlage soll nun die Umsetzung der neuen staatsvertraglichen Regelungen in der Schweiz sicherstellen. Die Vorlage beschränkt sich auf die fünf Nachbarstaaten der Schweiz: Deutschland, Frankreich, Italien, Liechtenstein und Österreich.
Die Schweiz zählt deutlich mehr Grenzgängerinnen und Grenzgänger aus dem Ausland als Schweizer Erwerbstätige, die in den Nachbarländern arbeiten. Insgesamt arbeiten rund 400’000 Grenzgängerinnen und Grenzgänger in der Schweiz, von denen die meisten in Frankreich (220’000) und Italien (90’000) wohnhaft sind. Der Gesetzesentwurf zielt deshalb in erster Linie darauf ab, dass die Schweiz ihr Besteuerungsrecht gegenüber den in Frankreich und Italien wohnhaften Grenzgängerinnen und Grenzgängern vollständig ausüben kann und der Schweiz möglichst wenig Steuersubstrat verloren geht.
Auswirkungen auf die Arbeitgeber und Steuerpflichtigen
Wird im nationalen Recht eine explizite Besteuerungsgrundlage für Telearbeit im Ansässigkeitsstaat geschaffen, so kommt der Bescheinigung der Arbeitstage, an denen die Tätigkeit in Form von Telearbeit ausgeübt wurde, grosse Bedeutung zu. Ein Zusammenwirken von Beschäftigten und Arbeitgebern ist unumgänglich. Die Bescheinigungspflichten sind auch im Hinblick auf den mit dem jeweiligen Staat vereinbarten Informationsaustausch über Lohndaten in Steuersachen klar zu definieren.
Es ist daher davon auszugehen, dass der Dokumentationsaufwand für alle Beteiligten – namentlich Arbeitgeber, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, kantonale Steuerverwaltung, Steuerverwaltung des Ansässigkeitsstaates – durch die Telearbeit zunimmt.