Tax Briefing

Zinsrundschreiben 2024 der ESTV veröffentlicht – was Steuerpflichtige zu beachten haben

Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) hat am 29. Januar 2024 respektive am 30. Januar 2024 die Rundschreiben zu den steuerlich anerkannten Zinssätzen 2024 für Vorschüsse oder Darlehen in Schweizer Franken (CHF) und in Fremdwährungen publiziert (sogenannte «Safe Haven»-Zinssätze).


Mindestzinssatz für Vorschüsse an Beteiligte oder nahestehende Dritte:

Aus Eigenkapital finanziert:

  • CHF: 1.5%
  • EUR: 2.5%
  • USD: 4.25%

Aus Fremdkapital finanziert:

  • CHF: Selbstkosten zuzüglich einer Marge von 0.25% – 0.50%; jedoch mindestens 1.5%.
  • Fremdwährungen: Selbstkosten zuzüglich einer Marge von 0.5%; jedoch mindestens der Mindestzinssatz gemäss entsprechender Währung (resp. mindestens der Mindestzinssatz in CHF, sofern der Mindestzinssatz der fremden Währung tiefer ist).

Höchstzinssatz für Vorschüsse von Beteiligten oder nahestehenden Dritten:

CHF:

Betriebskredite:

Bis zu einer Höhe von CHF 1 Mio.:

  • 3.75% bei Handels- und Fabrikationsunternehmen,
  • 3.25% bei Holding- und Vermögensverwaltungsgesellschaften;

Ab einer Höhe von CHF 1 Mio.:

  • 2.0% (2023: 2.25%) bei Handels- und Fabrikationsunternehmen,
  • 1.75% (2023: 2.0%) bei Holding- und Vermögensverwaltungsgesellschaften.

Liegenschaftskredite:

Bis zu einer Belehnung von 2/3 des Verkehrswerts der Liegenschaft:

  • 2.25% für Wohnbau und Landwirtschaft,
  • 2.75% für Industrie und Gewerbe;

 Rest:

  • 3.0% für Wohnbau und Landwirtschaft,
  • 3.5% für Industrie und Gewerbe.

EUR/USD:

Analog dem Rundschreiben der ESTV betreffend steuerlich anerkannte Zinssätze 2024 für Vorschüsse oder Darlehen in CHF kann für Betriebskredite in fremder Währung der gleiche Spread (bis Gegenwert CHF 1 Mio. 2.25 % resp. 1.75 %; ab Gegenwert CHF 1 Mio. 0.50% resp. 0.25%) berücksichtigt werden.

Für einen Betriebskredit von beispielsweise EUR 10 Mio. gelten demnach die folgenden Höchstzinssätze:

  • Bis zu einer Höhe von CHF 1 Mio. (respektive Gegenwert in EUR):   2.5% + 2.25% = 4.75%
  • Ab einer Höhe von CHF 1 Mio. (respektive Gegenwert in EUR):   2.5% + 0.5% = 3.0%

Für einen Betriebskredit von beispielsweise USD 10 Mio. gelten demnach die folgenden Höchstzinssätze:

  • Bis zu einer Höhe von CHF 1 Mio. (respektive Gegenwert in USD):   4.25% + 2.25% = 6.5%
  • Ab einer Höhe von CHF 1 Mio. (respektive Gegenwert in USD):   4.25% + 0.5% = 4.75%

«Safe Haven»

Die Zinssätze in den Rundschreiben der ESTV werden auf Basis von Kapitalmarktrenditen von langfristigen Anleihen in Schweizer Franken ermittelt. Zunächst wird der Durchschnitt zwischen einem Index über den inländischen Obligationenmarkt (SWIBO Dom T bzw. SBI DOM), der Rendite von öffentlichen Anleihen und von Renditen von Anleihen der Banken/Industrie berechnet. Das Ergebnis wird der Rendite der 10-jährigen Bundesobligationen gegenübergestellt und daraus der massgebliche Zinssatz hergeleitet. Das Rundschreiben stellt ausschliesslich auf die Anleihen von Emittenten hoher oder sehr hoher Bonität ab.

Die von der ESTV publizierten Zinssätze gelten als «Safe Haven»-Zinssätze. Steuerpflichtige, deren Darlehensbeziehungen im Rahmen der von der ESTV publizierten Rundschreiben verzinst werden, können davon ausgehen, dass die Verzinsungen von den schweizerischen Steuerbehörden ohne weitere Nachweise als drittpreiskonform akzeptiert werden.

Den Steuerpflichtigen steht gemäss Rundschreiben der Nachweis offen, dass ein abweichender Zinssatz dem Drittvergleich standhält. Ein solcher Nachweis kann beispielsweise über eine Transferpreisstudie erbracht werden, die nach den Verrechnungspreisleitlinien der OECD erstellt worden ist (OECD Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises and Tax Administrations 2022, Chapter X).

Die OECD-Verrechnungspreisleitlinien sind vom Rang her identisch mit dem OECD-Kommentar zum Musterabkommen. Sie sind der ausgegliederte Verrechnungspreisteil der Kommentierung zu Art. 9 Abs. 1. Die OECD-Verrechnungspreisleitlinien haben keine direkte normative Kraft in der Schweiz, können aber als Auslegungshilfen herangezogen werden. Bezüglich Verrechnungspreisstudie ist wichtig, dass die verwendeten Datengrundlagen sowie die Methodik transparent und nachvollziehbar aufbereitet werden.

Sofern ein Drittdarlehen mit vergleichbaren Konditionen vorliegt, kann gegebenenfalls dieser Zinssatz als Nachweis der Drittvergleichskonformität beigezogen werden. Diesbezüglich ist jedoch der konkrete Einzelfall zu prüfen.

Steuerfolgen bei Korrekturen durch die Steuerbehörden

Sofern die von den Steuerpflichtigen angewandten Zinssätze ausserhalb der «Safe Haven»-Zinssätze liegen und auch keine Drittvergleichskonformität nachgewiesen werden kann, besteht das Risiko, dass eine verdeckte Gewinnausschüttung oder aber eine verdeckte Kapitaleinlage vorliegt.

Die verdeckte Gewinnausschüttung führt zu einer Gewinnkorrektur. Zudem ist auf dem Betrag der geldwerten Leistung die Verrechnungssteuer von 35% geschuldet, die dem Empfänger der geldwerten Leistung zu überwälzen ist. Wird die Verrechnungssteuer nicht überwälzt, wird die geldwerte Leistung als Nettozahlung betrachtet und darauf basierend die Verrechnungssteuer berechnet. Die effektive Verrechnungssteuerbelastung steigt so auf rund 54%. Die Rückerstattungsvoraussetzungen sind im Einzelfall zu prüfen.

Da je nach Konstellation nicht immer eine volle Rückerstattung möglich ist, sollten die Zinssätze von Anfang an innerhalb eines drittpreiskonformen Rahmens festgelegt und dokumentiert werden. Die Steuerfolgen von verdeckten Kapitaleinlagen sind im Einzelfall zu evaluieren.

Was müssen Steuerpflichtige beachten?

Steuerpflichtige, welche die Drittpreiskonformität des angewandten Zinssatzes nicht nachweisen können, sollten ihre Darlehensbeziehungen für 2024 dahingehend überprüfen, ob sie die «Safe Haven»-Zinssätze einhalten. Die «Safe Haven»-Zinssätze sind jeweils für das ganze Kalenderjahr 2024 anwendbar.

Eine Anpassung der Zinssätze sollte jeweils vertraglich festgehalten werden. Dies kann mittels Nachtrags zum Darlehensvertrag oder mit einem dynamischen Verweis im Darlehensvertrag geschehen.

Die Anwendung der Rundschreiben der ESTV hat gemäss Rechtsprechung nicht schematisch zu erfolgen, sondern unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls. Zur Anwendung bzw. Massgeblichkeit der anerkannten Zinssätze in den Rundscheiben der ESTV muss die zu beurteilende Leistung von vornherein mit den Grundlagen vergleichbar sein, welche zur Berechnung der anerkannten Zinssätze diente. Aus diesem Grund sind beispielsweise Anlagen mit kurzfristigem Charakter nicht mit langfristigen Anlagen vergleichbar. Folglich finden die Rundschreiben der ESTV und die hinsichtlich der langfristigen Anlagen ermittelten Zinssätze grundsätzlich keine Anwendung auf Anlagen mit kurzfristigem Charakter.

Die «Safe Haven»-Zins-Rundschreiben gelten grundsätzlich nur für langfristige Darlehen. Für kurzfristige Darlehen muss ein individueller Drittvergleich vorgenommen werden. Entsprechend der Praxis der ESTV werden faktisch langfristige Cash-Pooling-Forderungen in Darlehen umqualifiziert, für die die oben genannten «Safe Haven»-Zinssätze gelten und nicht die tatsächlichen (niedrigeren) Cash-Pool-Zinssätze.

Schweizerische Steuerpflichtige, welche für Darlehensbeziehungen mit nahestehenden Personen in der EU die Zinshöhe mittels Verweises auf das Zinsrundschreiben festlegen, sollten die EU-Direktive 2018/822 (DAC 6) ebenfalls berücksichtigen. Das Abstellen auf diese unilaterale «Safe Haven»-Vorschrift sorgt grundsätzlich für das Entstehen einer Meldepflicht. Zudem ist bei grenzüberschreitenden Darlehen ein Nachweis der Drittpreiskonformität empfehlenswert.

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