Unternehmens­steuern

Bundesgericht präzisiert Rechtsprechung zur Beweislast beim Hauptsteuerdomizil

Das Bundesgericht hat seine Rechtsprechung zur Beweislast beim Hauptsteuerdomizil juristischer Personen im interkantonalen Verhältnis präzisiert (Entscheid 9C_591/2023 vom 2. April 2024).

Sachverhalt

Eine juristische Person hatte ihren Sitz vom Kanton St. Gallen in den Kanton Appenzell Ausserrhoden verlegt. Im Kanton St. Gallen verfügte sie jedoch weiterhin über deutlich mehr Räumlichkeiten und Infrastruktur als im Kanton Appenzell Ausserrhoden.

Das Bundesgericht kam deshalb zum Schluss, dass sich der Ort der tatsächlichen Verwaltung und somit das Hauptsteuerdomizil der Steuerpflichtigen unverändert im Kanton St. Gallen befindet. Die Beschwerde der Steuerpflichtigen wurde abgewiesen.

Bisherige Rechtsprechung

Hat eine juristische Person ihren Sitz und Ort der tatsächlichen Verwaltung (Geschäftsführung) in zwei unterschiedlichen Kantonen, befindet sich deren Hauptsteuerdomizil am Ort der tatsächlichen Verwaltung. Bei der Bestimmung des Orts der tatsächlichen Verwaltung als steuerbegründende Tatsache liegt die Beweislast grundsätzlich bei der Steuerbehörde. Gemäss bisheriger Rechtsprechung konnte die Beweislast jedoch auf den Steuerpflichtigen übertragen werden, wenn der Ort der tatsächlichen Verwaltung in einem Kanton als «sehr wahrscheinlich» erscheint. Der Steuerpflichtige hat dann einen Gegenbeweis zu erbringen (Beweislastumkehr).

Angepasste Rechtsprechung

Gemäss Bundesgericht steht die bisherige Übertragung der Beweislast auf den Steuerpflichtigen in Konflikt mit der Untersuchungsmaxime; nach dieser liegt die Beweisführungslast grundsätzlich bei der Steuerbehörde.

Kein Konflikt entsteht jedoch, wenn es stattdessen zu einer Beweiserleichterung (d.h. Senkung des Beweismasses) seitens der Steuerbehörde kommt. Eine Beweiserleichterung ist für Tatsachen zulässig, für die der Vollbeweis nicht möglich oder zumutbar ist. Gemäss Bundesgericht handelt es sich beim Ort der tatsächlichen Verwaltung um eine solche Tatsache. Damit ist der Beweis vom Steuerpflichtigen zu erbringen.

Des Weiteren wird für die Beweiserleichterung nicht mehr verlangt, dass eine Tatsache als «sehr wahrscheinlich» erscheint; es reicht vielmehr aus, wenn sie als «überwiegend wahrscheinlich» erscheint. Wie diese Anpassung der Formulierung zu verstehen ist, führt das Bundesgericht im Entscheid nicht aus.

Ausblick

Es wird sich zeigen, wie das Bundesgericht künftig in weniger klaren Sachverhalten entscheiden wird und wie die zu «überwiegend wahrscheinlich» angepasste Formulierung ausgelegt wird.

Für Unternehmen mit Geschäftstätigkeit in mehreren Kantonen oder bei Sitzverlegung in einen anderen Kanton empfiehlt es sich daher, eine entsprechende Dokumentation am Sitz verfügbar zu halten. In dieser sollten festgehalten sein der Ort der tatsächlichen Verwaltung und der Geschäftsführung einschließlich des Nachweises der Substanz, z.B. über Räumlichkeiten, Personal, sonstiger Infrastruktur sowie Tätigkeiten und Wertschöpfung.

 

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