Die weltpolitischen Rahmenbedingungen befinden sich im Umbruch. Bewährte Strukturen und langjährige Handelspraktiken geraten zunehmend unter Druck. Wesentlicher Treiber dieser Entwicklungen ist die derzeitige US-Administration, die die Rolle der Vereinigten Staaten im globalen Kontext neu zu definieren sucht. Die ergriffenen zollpolitischen Massnahmen sowie die Höhe der Zölle weichen dabei deutlich von bisherigen Standards ab und stellen internationale Wirtschaftsbeziehungen vor neue Herausforderungen. Die nun angekündigte 90-tägige Pause sollte als Gelegenheit genutzt werden, die Situation sachlich zu bewerten und mögliche Handlungsoptionen sorgfältig zu prüfen.
Ausgangslage
Die USA haben in der jüngeren Vergangenheit stets Zollabgaben bei der Einfuhr von Waren erhoben. Der allgemeine Zollsatz lag mit durchschnittlich 2,5% jedoch verhältnismässig moderat. Mit 20 Ländern bestehen zudem Freihandelsabkommen[1], darunter Kanada, Mexiko, Australien, Singapur und Kolumbien.
Anfang Februar 2025 hat die US-Administration Zollerhöhungen gegenüber Kanada und Mexiko trotz bestehendem Freihandelsabkommen (USMCA) vorgenommen. Entsprechende Verhandlungen führten zu einem Aufschub der Massnahmen um 30 Tage. Gleichzeitig wurde der Zollsatz für chinesische Waren um weitere 10% Prozentpunkte angehoben.
Im März folgten weitere Massnahmenpakete: Die Erhöhung der Zölle auf Stahl, Aluminium und Automobile, jeweils um weitere 25% sowie eine zusätzliche Erhöhung der Zollabgaben auf chinesische Waren um weitere 10%. Am 2. April wurde zusätzlich zu den bisher anwendbaren Zöllen ein Basiszollsatz von 10% verfügt, sowie reziproke Zölle gegenüber 57 Ländern[2] verordnet, darunter 31% für die Schweiz, 20% für die EU und 37% für Liechtenstein. Für chinesische Waren wurde ein Satz von 34% festgelegt. Die Gegenmassnahmen der chinesischen Regierung führten zu wechselseitigen Eskalationen im transpazifischen Handel. Aktuell gelten Zölle in Höhe von 125% für US-Waren in China und 145% für chinesische Waren in den USA.
Aussetzung der reziproken Zölle für 90 Tage
Die US-Administration setzte die reziproken Zölle am selben Tag ihrer Inkraftsetzung, dem 9. April 2025[3], für 90 Tage aus, um den betroffenen Ländern Raum für Verhandlungen zu geben. Es ist jedoch nicht realistisch, dass innerhalb dieser Frist umfassende Freihandelsabkommen ausgehandelt werden. Denkbar sind allenfalls temporäre Exekutivabkommen, die später einer legislativen Ratifizierung bedürfen.
Die Aussetzung gilt bis zum 7. Juli 2025. In dieser Zeit unterliegt die Einfuhr von Waren in die USA den bisherigen Zollsätzen zuzüglich des Basiszollsatzes von 10%. Ausgenommen sind Einfuhren aus China (Zollsatz: 145%) sowie bestimmte Produktgruppen wie Stahl, Aluminium und Automobile, für die weiterhin erhöhte Zollsätze gelten.
Welche Regelungen ab dem 7. Juli 2025 gelten werden, ist angesichts der politischen Dynamik ungewiss. Bereits kursieren Hinweise, wonach pharmazeutische Produkte, bislang zollfrei, künftig Zöllen unterliegen könnten und nun auch elektronische Geräte (Mobiltelefone, Tablets, Computer) sowie Halbleiter von besonderen Regeln profitieren könnten.
Lösungsoptionen
Die temporäre Aussetzung der reziproken Zölle wird nicht ausreichen, um grundlegende Anpassungen in globalen Lieferketten vorzunehmen. Dennoch gibt es einige Massnahmen, die Schweizer Unternehmen bereits heute vorbereiten können:
Fazit
Der Aufschub von 90 Tagen wird weder für die Umstellung globaler Lieferketten noch für die Verhandlung strukturierter Abkommen ausreichen. Unternehmen sind daher gefordert, alternative Strategien zu prüfen und frühzeitig den Dialog mit ihren US-Partnern zu suchen.
[1] https://ustr.gov/trade-agreements/free-trade-agreements
[2] https://www.whitehouse.gov/wp-content/uploads/2025/04/Annex-I.pdf
[3] https://www.whitehouse.gov/presidential-actions/2025/04/modifying-reciprocal-tariff-rates-to-reflect-trading-partner-retaliation-and-alignment/
[4] Vor dem Hintergrund der aktuellen US-Zollpolitik ist unklar, ob eine derartige Verarbeitung im Rahmen bestehender Freihandelsabkommen zollrechtlich anerkannt wird.