Das Bundesgericht hat am 3. Oktober 2024 ein bemerkenswertes Urteil zur Verrechnungssteuerrückerstattung gefällt (9C_635/2023, veröffentlicht am 4. November 2024). Das höchste Gericht bejaht das Nutzungsrecht («Beneficial ownership») eines ausländischen Finanzinstituts (Zins-Empfängerin), welches bei der ESTV die Rückerstattung der Verrechnungssteuer auf Obligationenzinsen beantragt hatte. Die zugrundeliegenden Bundesanleihen hatte das Finanzinstitut im Kontext von sog. Cross currency rate swap-Transaktionen (CCRS) mit anderen Finanzinstituten erworben, wobei die Bedingungen und Laufzeiten der Anleihen und der CCRS exakt aufeinander abgestimmt waren. Der Entscheid ist bemerkenswert, zumal das Gericht seit seinen Leiturteilen im Jahr 2015 Empfängern in ähnlich gelagerten Sachverhalten konstant das Nutzungsrecht abgesprochen und damit die Steuerrückerstattung verweigert hat.
Zentrale Elemente des «Beneficial ownership»
Ausschlaggebend war für das Bundesgericht Folgendes:
- Das Nutzungsrecht kann einem Empfänger nur abgesprochen werden, wenn er eine rechtliche oder vertragliche Pflicht zur Weiterleitung der verrechnungssteuerbelasteten Erträge hat.
- Zahlungsverpflichtungen des Empfängers können nur dann eine schädliche Pflicht zur Weiterleitung darstellen, wenn die Zahlung oder zumindest ihre Höhe davon abhängt, dass der Empfänger die verrechnungssteuerbelasteten Erträge erzielt.
- Vorliegend war das Finanzinstitut verpflichtet, Zahlungen unter den CCRS zu leisten, auch wenn es die Zinsen auf den Bundesanleihen nicht erhalten hätte.
- Mitunter fehlte es an einer schädlichen Weiterleitungspflicht, weshalb das Bundesgericht das Nutzungsrecht der Empfängerin bejaht hat.
Vorbehalt: Abkommensmissbrauch
Das Urteil ist erfreulich. Zu beachten ist indes, dass der Empfängerin die Rückerstattung noch nicht gewiss ist. Das Bundesgericht hat den Fall zur weiteren Prüfung und Beurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht hat zu untersuchen, ob der Empfängerin die Verrechnungssteuerrückerstattung wegen Abkommensmissbrauch zu verweigern ist. Beim Verbot des Rechtsmissbrauchs handelt es sich um eine vom Nutzungsrecht gesonderte Voraussetzung. Anders als beim Nutzungsrecht fallen beim Rechtsmissbrauch auch subjektive Beweggründe in die Betrachtung, ebenso der Umstand, dass die Empfängerin die Anleihenszinsen und die Vorteile der Verrechnungssteuerrückerstattung durch eine ungewöhnliche Gestaltung effektiv weitergeleitet hat. Man darf gespannt sein.