Unternehmens­steuern

Risiken bei der Verrechnungssteuerentlastung – ein Dauerbrenner

Allgemeines

Die Schweizer Verrechnungssteuer auf Kapitalerträgen wie Dividenden von Kapitalgesellschaften und Zinsen auf Obligationen ist mit 35% im internationalen Vergleich hoch. Der schweizerische Leistungsempfänger ist grundsätzlich zur vollen Entlastung von der Verrechnungssteuer berechtigt, wenn er die erzielten Einkünfte ordnungsgemäss deklariert (natürliche Person) bzw. verbucht (juristische Person, Unternehmen), ihm das Recht zur Nutzung der Erträge zusteht und keine Steuerumgehung vorliegt.

Ist der Leistungsempfänger im Ausland ansässig, bestimmt sich sein Recht auf Steuerentlastung nach staatsvertraglichen Vereinbarungen, regelmässig Doppelbesteuerungsabkommen (“DBA”), welche die Schweiz mit Partnerstaaten abgeschlossen hat. Die Schweiz verfügt über eine Vielzahl von DBA, welche eine vollständige Entlastung oder doch Reduktion der Verrechnungssteuer auf Kapitalerträgen vorsehen.

Die Abkommensberechtigung von im Ausland ansässigen Leistungsempfängern setzt unter anderem das Nutzungsrecht (beneficial ownership) der Leistungsempfängerin an den Erträgen und das Fehlen eines Abkommensmissbrauchs voraus.

Recht zur Nutzung

Zum Recht zur Nutzung / beneficial ownership sind in den letzten Jahren in der Schweiz mehrere wegweisende Gerichtsurteile ergangen. Dem Leistungsempfänger wird das Nutzungsrecht dann aberkannt, wenn er über die Einkünfte nicht frei verfügen kann, weil er eine rechtliche Pflicht zur Weiterleitung der Erträge hat. Indes wird auch eine «faktische Verpflichtung» i.S. von wirtschaftlichen Indizien, aus denen auf eine (indirekte) rechtliche Pflicht zur Weiterleitung geschlossen werden kann, als schädlich erachtet (vgl. jüngst Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-2121/2020 vom 4. September 2023, welches sich erstmals mit dem Nutzungsrecht bei Obligationenzinsen auseinandersetzte; die unterlegene Zinsgläubigerin hat das Urteil ans Bundesgericht weitergezogen).

Substanz und Missbrauch

Hinsichtlich des Missbrauchs prüft die Eidgenössische Steuerverwaltung (“ESTV”) beim ausländischen Leistungsempfänger vorab, ob dieser über eine ausreichende Substanz verfügt. Die Überprüfung erfolgt anhand der Eigenkapitalisierung, des Personals und der Infrastruktur sowie der Funktion, wobei je nach Eignerstruktur des Leistungsempfängers (z.B. Konzerngesellschaft, Personal Holding) eines oder mehrere Kriterien zu erfüllen sind. Offizielle Praxishinweise der Verwaltung dazu fehlen. Überdies wurden über die Jahre in der Praxis der ESTV Sondertatbestände (sog. Altreservenpraxis, stellvertretende Liquidation, internationale Transponierung) entwickelt, welche zu einer gänzlichen oder teilweisen Verweigerung der Verrechnungssteuerentlastung bei einem (neuen) Leistungsempfänger führen, selbst wenn dieser über eine ausreichende Substanz verfügt.

Dabei machen sich die Einschränkungen bei der Verrechnungssteuerentlastung nicht bereits im Zeitpunkt der Beteiligungsübertragung, sondern erst anlässlich künftiger Ausschüttungen bemerkbar. Hier gilt es, unliebsame Überraschungen zu vermeiden. (Zukünftige) Leistungsempfänger – seien sie in der Schweiz oder im Ausland ansässig – sollten sich deshalb vor Übernahme von Vermögenswerten, deren Ertragsausschüttungen der Schweizer Verrechnungssteuer unterliegen (z.B. Beteiligungen an schweizerischen Kapitalgesellschaften), ein umfassendes Bild über ihr Rückerstattungsposition machen. Dazu gehört zwingend die Überprüfung des Rückerstattungsanspruchs der vormaligen Titelinhaber.